Rechtliche Tipps

Was bedeutet das Nutzungs-/Nießbrauchsrecht?

Nicht nur für Studierende der Rechtswissenschaften, sondern auch für fortgeschrittene und erfahrene Juristen gestaltet sich das Sachenrecht, welches im dritten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches innerhalb der §§ 854-1296 kodifiziert ist, oftmals als abstrakt und intransparent. Der Grund für diese Annahme ist nicht zuletzt die Tatsache, dass das Sachenrecht als ein koordinierendes dingliches Rechtsgebiet des Zivilrechts vielerlei Rechte an beweglichen und unbeweglichen Sachen beinhaltet, welche in einem komplex erscheinenden und aufeinander aufbauenden System miteinander korrelieren. Hierzu zählen unter anderem die dinglichen Nutzungsrechte, von welchen das Nießbrauchsrecht der §§ 1030 ff. BGB als das umfassendste dingliche Nutzungsrecht betrachtet wird. Doch worin bestehen die konkreten Unterschiede zwischen einem Nutzungsrecht und einem Nießbrauchsrecht?

Zur Veranschaulichung soll zunächst folgendes Musterbeispiel herangezogen werden: Das Grundstück des Eigentümers E darf ohne dessen ausdrückliche Zustimmung von keiner anderen Person betreten werden. Nun könnte der E aber im Grundbuch zum Beispiel eine Grunddienstbarkeit gemäß § 1018 BGB zugunsten seines Nachbars N eintragen lassen, durch welche dem N ein Wegerecht eingeräumt werden würde. N wäre infolgedessen dazu befugt, die Grundstückseinfahrt des E mit seinem Auto zu befahren, um so auf kürzerem Wege zu seinem sich unmittelbar dahinter befindenden Haus zu gelangen.

Würde der E im Vergleich dazu seinem Nachbarn N jedoch ein Nießbrauchsrecht im Sinne des § 1030 BGB gewähren, wäre der N beispielsweise sogar dazu berechtigt, die Früchte von dem Obstbaum im Garten des E zu ernten und anschließend zu verwerten oder zu veräußern. Auch könnte der N je nach Umfang des Nießbrauchsrechts einzelne Zimmer im Haus des E an weitere Personen untervermieten und die Mieteinnahmen für sich behalten.

Anhand dieses Beispiels wird verdeutlicht, dass der wesentliche Unterschied zwischen einem Nutzungs- und einem Nießbrauchsrecht darin besteht, dass ein Nutzungsrecht wie eine Grunddienstbarkeit oder ein Erbbaurecht dem Begünstigten lediglich einige Verwendungsmöglichkeiten an einer Sache gestatten, während ein Nießbrauchsrecht mit der Erlaubnis einhergeht, Nutzungen aus der Sache zu ziehen.

Nutzungsrechte können sowohl schuldrechtlich als auch dinglich vereinbart werden. Zu beachten ist hierbei allerdings das dem Zivilrecht innewohnende Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Dieses besagt, dass (schuldrechtliche) Verpflichtungs- und (dingliche) Verfügungsgeschäfte stets unabhängig voneinander wirken und die Unwirksamkeit des einen Geschäfts somit nicht gleichermaßen die Unwirksamkeit des anderen Geschäfts begründen kann.

Ein Nutzungs- oder Nießbrauchsrecht kann zudem auch wieder aufgehoben werden. Einerseits ist es möglich, in den dazugehörigen Verträgen eine entsprechende Aufhebungsfrist zu bestimmen. Ferner kann dem Berechtigten das Nutzungs- oder Nießbrauchsrecht nachträglich entzogen werden, wenn jener die Sache nicht erwartungs- oder sachgemäß gebraucht. Auch der Tod des Berechtigten ist nach § 1061 BGB automatisch mit einer Beendigung des gewährten Nießbrauchsechts verbunden.

Zu den gängigsten Varianten der dinglichen Nutzungsrechte zählen die eingangs thematisierte Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB), die beschränkte persönliche Dienstbarkeit sowie das dingliche Wohnrecht (§§ 1090-1093 BGB) und das im Erbbaurechtsgesetz geregelte Erbbaurecht. Die verkehrstypischen Kategorien des Nießbrauchsrechts sind der grundlegende Nießbrauch an Sachen (§ 1030), der Nießbrauch an Inbegriff von Sachen (§ 1035 BGB), der Nießbrauch an einem Grundstück mit Inventar (§ 1048 BGB), der Nießbrauch am Anteil eines Miteigentümers (§ 1066 BGB), der Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen (§ 1067 BGB) sowie der Nießbrauch an Rechten und Forderungen (§§ 1068 ff. BGB).

Üblicherweise hat die infolge eines Nutzungs- oder Nießbrauchsrechts begünstigte Person die dazugehörigen Kosten zu entrichten. In Anbetracht der einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs erstreckt sich diese Verpflichtung aber ausschließlich auf gewöhnliche Unterhaltungskosten, welche den Umständen des Einzelfalles nach erwartet werden können.

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