Die Sonderkündigung eines Telekommunikationsvertrages nach dem Umzug des Kunden regelt der § 46 TKG (Telekommunikationsgesetz). Demnach kann der Kunde einen Langzeitvertrag (meist 24 Monate) mit dem bisherigen Anbieter mit 3-Monats-Frist kündigen, wenn er umzieht und sein bisheriger Anbieter am neuen Wohnort nicht dieselben Leistungen bereitstellen kann. Es genügen die Mitteilung an den Anbieter und die offenbar fehlende Inanspruchnahme der Leistungen am alten Wohnort (“Augenschein”). Einen Nachweis über den Umzug kann das Telekommunikationsunternehmen zwar verlangen, jedoch gilt hierbei keine besondere Frist für die Wirksamkeit der Sonderkündigung. Der Kunde kann diesen Nachweis auch sehr viel später einreichen, wenn die Umstände nichts anderes zulassen, ohne die Wirksamkeit seiner Sonderkündigung wegen Umzugs zu gefährden. Das geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Pinneberg von Januar 2017 hervor, das seit März 2017 rechtskräftig ist (Az.: 63 C 88/16).
Zum vorliegenden Fall
Die Klägerin war Kundin des Telekommunikationsdienstleisters Unitymedia NRW GmbH und nahm nach einem Umzug in Sonderkündigungsrecht in Anspruch, weil der neue Wohnort außerhalb des Versorgungsgebietes von Unitymedia lag.
Das Unternehmen verlangte für die Wirksamkeit der Kündigung eine Umzugsbescheinigung, welche die Kundin erst zehn Monate später einreichen konnte. Daraufhin stellte ihr Unitymedia die bis dahin aufgelaufenen Anschlusskosten – 300 Euro – in Rechnung. Die Kundin klagte dagegen und erhielt vor dem Amtsgericht Pinneberg Recht. Das Gericht stellte fest, dass ein Telekommunikationsanbieter einen Umzugsnachweis zwar verlangen, aber nicht die Wirksamkeit der Sonderkündigung von dessen “pünktlichem” Zugang abhängig machen könne. Die Kundin hatte im vorliegenden Fall von Unitymedia zur Verfügung gestellte Geräte zurückgegeben und ihren alten Anschluss auch auf eine andere Weise nicht mehr genutzt, was technisch nicht möglich war und auch überprüfbar ist. Zudem sandte die Kundin eine Kopie der Auflösung ihres Arbeitsvertrags mit dem Arbeitgeber am alten Wohnort zu, um die Motive für ihren Umzug zu belegen. Das genügte Unitymedia jedoch nicht, das Unternehmen wollte die behördliche Ummeldebescheinigung für den neuen Wohnort sehen. Diese ist erst zu erlangen, wenn der Umzug erfolgt ist. Die gesetzlich vorgeschriebenen Fristen für die Ummeldung variieren zwischen den Bundesländern. Sie sind allerdings nicht sehr lang, die Unitymedia-Kundin hat offenbar nicht mehr an Unitymedia gedacht. Da sie ihre Ummeldebescheinigung so sehr verspätet einreichte, verlangte Unitymedia nun die aufgelaufenen Kosten, worauf die spätere Klägerin eine außergerichtliche Einigung anregte. Als Unitymedia dies ablehnte, zog die Kundin mit anwaltlicher Hilfe vor Gericht und gewann den Fall.
Die Begründung des Gerichts für das Urteil zugunsten der Klägerin
Das Gericht gestand dem Telekommunikationsdienstleister zwar durchaus zu, einen Nachweis für den Umzug verlangen zu können. Es gäbe hierfür aber keine Ausschlussfrist. Das bedeutet: Ein verspäteter Nachweis wie im vorliegenden Fall entkräftet nicht die Sonderkündigung in der dafür vorgesehenen Frist nach § 46 TKG, wenn die Voraussetzungen – nicht mögliche Weiterversorgung durch den alten Anbieter am neuen Wohnort – gegeben sind. Dass eine Ummeldebescheinigung erst am neuen, nicht am alten Wohnort zu erlangen ist, wertete das Gericht ebenso als Argument zugunsten der Klägerin wie den Beleg über die Kündigung ihres früheren Arbeitsverhältnisses und die zurückgesandte Unitymedia-Hardware, die rein technisch die Weiternutzung des alten Anschlusses unwahrscheinlich bis unmöglich machte. Das Hauptargument war allerdings die fehlende Ausschlussfrist für eine Sonderkündigung im § 46 TKG.
Grundsätzliches zum Sonderkündigungsrecht
Verschiedene vertragliche Gestaltungen räumen ein Sonderkündigungsrecht beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein. Bei DSL- und Telefonverträgen ist das Sonderkündigungsrecht gegeben, wenn der Anbieter am neuen Wohnort die bisherige Leistung nicht oder nicht ausreichend erbringen kann. “Nicht ausreichend” ist ein dehnbarer und wichtiger Begriff in diesem Kontext, denn viele Telekommunikationsdienstleister sind zwar in Deutschland flächendeckend vertreten, können aber nicht überall denselben DSL-Durchsatz – zum Beispiel 16 MBit/s – leisten. Sollte diese Leistung am neuen Standort deutlich von der vorherigen Leistung abweichen, wäre das auch ein Sonderkündigungsgrund. Hier käme es auf die Höhe der Differenz an und auf die Zumutbarkeit für den Kunden, es könnte also strittige Fälle geben. Im vorliegenden Fall ging es aber nicht um kleine Differenzen, sondern um eine generell nicht mögliche Versorgung durch Unitymedia am neuen Wohnort der Kundin. Das Unternehmen ist vorwiegend in Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen vertreten. Das Sonderkündigungsrecht für Telekommunikationsverträge ist im § 46 TKG Absatz 8 Satz 3 relativ genau definiert, im hier beschriebenen Fall war es unstrittig. Generell ist zum Sonderkündigungsrecht für verschiedenste Verträge anzumerken, dass es nicht immer greift, beispielsweise dann nicht, wenn sich ein Kunde lediglich subjektiv benachteiligt fühlt. Solche Streitfälle landen oft vor Gericht, vielfach siegen dabei die Unternehmen, die ihre Rechte größtenteils gut kennen. Der hier beschriebene Fall ist interessant, weil
ein Telekommunikationsdienstleister für den Nachweis des Sonderkündigungsrechts nach Umzug durchaus eine Ummeldebestätigung verlangen kann,
das Zusenden dieser Bestätigung aber an keine Frist gebunden ist und die Sonderkündigung dennoch nach Ablauf der 3-Monate-Frist wirksam wird.
Interessant wäre der umgekehrte Fall: Die Ummeldebestätigung kommt nie, der Dienstleister verklagt daraufhin den Kunden. Nach welcher Frist müsste er Recht erhalten?
Anmerkung zum Unternehmen Unitymedia GmbH
Die Unitymedia GmbH hat ihren Sitz in Köln, sie entstand 2005 infolge des Zusammenschlusses mehrerer Dienstleister. Leider ist das Unternehmen für die Verärgerung seiner Kunden berüchtigt. Seit 2013 mussten die Kunden Preiserhöhungen hinnehmen, weil sich die Gesamtkosten des Unternehmens für den Netzbetrieb erhöht hatten, ohne dass die Kunden mehr Leistung erhalten konnten. Teilweise gab es Erhöhungen um bis zu 16 %, verbunden mit einem Recht zur Sonderkündigung, teilweise betrugen sie unter fünf Prozent und schlossen damit das Sonderkündigungsrecht aus. Kritiker bemängeln das Vorgehen des Unternehmens als extrem kundenunfreundlich, wenngleich es bislang gesetzeskonform blieb. In den Unitymedia-AGB ist das Recht des Anbieters zur jährlichen Preiserhöhung enthalten.
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